Audi A4 B6 Cabriolet 2004: Kein Biedermann, sondern Brandstifter

Audi-2.4-Cabriolet-Totale
Am breiten Scheibenrahmen erkennt Ihr ihn. 

Die Marke Audi hatte es lange schwer, das Lehrerimage abzulegen. Dabei wollte man das doch so gern. Der Audi V8 war mutig, aber nicht erfolgreich. Der Audi 80 war ambitioniert, aber erst der A4 wurde ab 1994 langsam „anders“. Mit dem A4 B6 kamen die Ingolstädter endgültig da an, wo sie hin wollten. Qualität und Premium. Geht das 20 Jahre später immer noch gut?

Quick Facts Audi A4 B6

  • Bauzeitraum: 2000 – 2004 (Cabriolet 2002 – 2006)
  • Karosserien: Limousine, Kombi, Cabriolet
  • Benzinmotoren: 1,6 Liter – 4,2 Liter
  • Dieselmotoren: 1,9 Liter – 2,5 Liter
  • Tankinhalt: 70 Liter
  • Stückzahl: ca. 1.200.000
  • Preise 2021: 3.000 € – 10.000 €

Vier Ringe aus Rheine

Dass die vier Audi-Ringe für eine Fusion vierer Automarken (und nicht für jeweils 100.000 Kilometer) stehen, wissen die meisten. Die sächsischen Firmen Audi, DKW, Horch und Wanderer fusionierten 1932 infolge der Weltwirtschaftskrise zur Auto Union AG. 1969 kam dann noch NSU dazu und man begründete die Audi NSU Auto Union AG. Und seit 1985 nannte man sich nur noch Audi AG. Der Geschichtsunterricht endet in unserem speziellen Fall aber nicht im bayerischen Ingolstadt, sondern im nordrhein-westfälischen Rheine. Dort wurden bei Karmann (Osnabrück) die Audi A4 Cabriolets gefertigt, also auch unser 2004er Exemplar vom Typ 8H.

Audi-2.4-Profil
Den offenen Audi A4 hat Karmann geschneidert.
Audi-2.4-Einstieg
Straff und sportlich kann Audi gut.

In der oberen Mitte angekommen

Technik konnten die Audianer schon immer. In der zweiten A4-Generation haben sie dieses Können erfolgreich auf sportlich getrimmt und mit einer hochwertigen Verarbeitung eine Anmutung von Qualität und Langlebigkeit geschaffen. Und das ist kein Geschwafel – setzt Euch mal in einen gepflegten 20 Jahre alten Audi. Da stimmt alles, die Haptik, die Optik und das Bauchgefühl. Zwei plus, meine Herren und Damen Ingenieure, setzen.

Audi-2.4-Ruecksitz
Vollwertige vier Sitze, auch mit Dach.

Und auch die Karmänner und Karfrauen leisteten beim Cabriolet ganze Arbeit. Der markante, breite Alurahmen der Windschutzscheibe zieht sich über die hohe Gürtellinie bis nach hinten und gibt nach dem Öffnen der Tür den Blick frei auf sportliche Bequemlichkeit.


Käffchen und Kippchen

Viele Gebrauchtwagen haben gar keine Cupholder und nur winzig kleine Aschenbecher. Deshalb checke ich (als Nichtraucher) in dieser Serie auch immer die Abstellmöglichkeiten für Coladosen und Kaffeetassen sowie die vom Fahrersitz aus erreichbaren Aschekapazitäten.

Audi-2.4-Ascher
Ein Aschenbecherchen, auch rot beleuchtet.

In diesem Audi A4 Cabriolet mag man gar nicht rauchen. Alles riecht noch so neu und unverbraucht. Wenn aber doch, freut man sich über einen Aschenbecher, der von beiden Seiten aus der Mittelkonsole rausgehoben werden kann. Mit der anderen Hand muss man die Cola festhalten. Getränkehalter suche ich vergebens.


Ein Hauch von Neuwagen schwebt im noch geschlossenen Raum. Das Dach surrt elektrohydraulisch und vollautomatisch in 24 Sekunden nach hinten und lässt Sonne rein. Die rot illuminierte Taschenrechner-Sachlichkeit der ausklingenden 90er Jahre wirkt zeitlos und ist nicht abgegriffen. Der verwendete Softlack reagiert sehr ungnädig auf Cremes und Schweiß, was sich oft an den Knöpfen der Klimaanlage oder der Radios zeigt. Hier nicht. Cool. Starten wir mal den Mitteldruckmotor, oder?

Audi-2.4-Motor
Immerhin die Ansaugbrücke kann man sehen.

Der knurrt und der will los!

Natürlich gibt’s den alten Mitteldruckmotor aus dem Audi 100 NICHT mehr 😉 Aber auch wenn die Ingolstädter bewährte Triebwerke im Kern lange weiterbauten, ist beim Zanriemen-V6 mit fünf Ventilen und Saugrohreinspritzung der technische Fortschritt zu spüren. Die 170 Pferde drücken auf ein manuelles Sechsgang-Schaltgetriebe, was ich persönlich sportlicher finde. Wer die gute alte Wandlerautomatik mag, kann auch zu der greifen (Tiptronic), aber man sollte die Hände (vor allem bei den drehmomentstarken Dieseln) von der stufenlosen Multitronic lassen. Die frisst Steuergeräte und Lamellen zum Frühstück und dann wird’s teuer.

Audi-2.4-Kofferraum
Mehr Taschenraum als Kofferraum, aber okay.

Komm schon, Audi. Du stammst noch aus einer Zeit, als kein überdimensionierter Riesengrill und böse guckende Scheinwerfer nötig waren, um die Autobahn leerzufressen. Der A4 und ich huschen eine Runde über die A7, nach fast zwei Jahrzehnten fühlt sich dieses Cabriolet noch immer jung und dynamisch an!

Audi-2.4-Cockpit
Sachlich und schön – und rot beleuchtet

Ein Audi bedeutet ROT fürs Auge

Dieser A4 als B6 auf der A7 entstammt einer Generation, in der Audi die Balance zwischen Wertigkeit und Haptik fast perfektioniert hatte. Entscheidet man sich für einen gepflegten Scheckheftler mit wenigen Kilometern, bekommt man ausgereifte Technik und Langzeitqualitäten – und das für weniger Geld, als manche Leute für ihren High-End-Spiele-PC ausgeben. Und spätestens wenn bei Tunneldurchfahrten die Bi-Xenons aufblitzen und die rot beleuchteten Armaturen kosmische Informationen über die Augen ans Gehirn liefern, braucht niemand mehr eine Spielekonsole. Vorausgesetzt, die Reflektoren der Scheinwerfer sind nicht ausgebrannt oder beschlagen und die Displays haben keine Pixelausfälle. Aber sowas lässt sich ja prüfen.

Audi-2.4-Draufsicht-Teilepreise
Alle Ersatzteile rund um den Audi A4 B6

Billig geht anders

Audi ist seit Jahrzehnten neben Mercedes und BMW angekommen – auch in den Ersatzteilpreisen und den Reparaturkosten. Wenn so eine technisch perfektionierte Vier-Lenker-Vorderachsaufhängung aus Aluminium irgendwann ausgeschlagen ist, wird’s teuer. Die Abgasanlage bekommt man ebenfalls nur im Original, aber alle gängigen Verschleißteile halten sich über DAPARTO noch in einem erträglichen Rahmen. Es ist halt ein Audi, dafür sieht man ihm sein Alter aber auch nicht an. 

Audi-2.4-Faltdach
Sirrr klapp! Vollautomatisch in 24 Sekunden. 

Wenn Ihr zu viert mit offenem Dach durch einen lauen Sommerabend fahrt und das BOSE-System satt Eure Lieblingslieder synchron zum Auspuff wummert, dann war das jeden investierten Cent wert.

VorteileGroße Motorenpalette
Gute Verarbeitung
Voll verzinkte Karosserie
Platz für vier Personen im Cabriolet
Umfangreiche Serienausstattung
NachteileSoftlack im Innenraum greift mit der Zeit ab
Matte und ausbleichende Scheinwerfer
Trotz Verzinkung Rost unter Zierleisten
Aufwändig zu reparierende Achsen
Multitronic anfällig
Zickige Wegfahrsperre
FahrgefühlAudi hat das „Lehrerimage“ abgelegt und setzt technisch Maßstäbe.
Der A4 B6 fährt sich straff und agil, ohne dabei zu hart oder zu sportlich zu sein.
Die bequemen Ledersitze bieten guten Seitenhalt und laden auch zu langen Strecken ein.
Der V6 klingt angenehm knurrig, ist dabei aber nicht laut. Das passt.
Preise3.000 € – 10.000 €

FAQ

Ist ein gepflegter Audi A4 B6 alltagstauglich?

Alltagstauglichkeit ist der zweite Vorname des Audi A4 – sofern man nicht den allerbilligsten aus der dritten Reihe nimmt. Reparaturen in einer Fachwerkstatt kosten viel Geld, aber die Technik ist solide und langlebig. Elektro-Nerv wie ausfallende Displays oder defekte Wegfahrsperren können technisch versierte Fahrerinnen und Fahrer mit Anleitungen aus dem Netz selbst reparieren, die wenigen Macken der einzelnen Motoren lassen sich an einer Hand abzählen. Aber Augen auf bei den Versicherungsklassen – da kann ein A4 schon recht teuer kommen.

Mehr zum Thema »

Wie ist die Ersatzteillage beim Audi A4 B6 ?

Aufgrund der hohen Stückzahl des Erfolgsmodells und des Baukastensystems bekommt Ihr für einen B6 alles, was Ihr braucht. Durch die kompakte Bauweise und die anspruchsvoll konstruierten Achsen sind größere Reparaturen mindestens langwierig, oft deshalb auch teuer. Die gängigen Verschleißteile und Nebenaggregate kauft Ihr über DAPARTO für einen normalen Taler. Kunststoffteile und Interieur findet sich zuhauf im Netz, so alt ist der Wagen ja noch nicht. Einzig die Abgasanlage gibt’s nur beim „Freundlichen“, aber die hält quasi ewig.

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Ist ein Audi A4 B6 langweilig?

Nein. Der erste Audi 80 war langweilig. Der zweite schon nicht mehr so. Der A4 begründet das schnelle, sportliche Image, das Audi heute noch immer prägt. Nur mit dem Vorteil, aus einer Zeit zu kommen, als man noch nicht diesen riesengroßen Kühlergrill brauchte, um auf der linken Spur Überlegenheit zu demonstrieren. Auch im Inneren ist alles hochwertig und geschmackvoll, die Musikanlage klingt satt und sogar Telefonsupport findet man auf aktuellem Niveau. Viel kann man da eigentlich nicht falsch machen.

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Welcher Motor ist bei einem Audi A4 empfehlenswert?

Ob Diesel oder Benzin, ist Einstellungssache und hängt von der erwarteten jährlichen Fahrstrecke ab. Für die Turbolader gilt: Einfühlsam warmfahren, nach Autobahnjagten ausdrehen lassen. Das Rückschlagventil vom Kurbelgehäuse geht mal kaputt, bei den an sich ausgereiften, sparsamen TDIs zickt mal das AGR oder die Pumpen machen Ärger. Insgesamt sind die Motoren robust und langlebig, besonders der 4.2 Liter V8 ist inzwischen eine Spaß-Legende (und klingt auch noch soooo gut) …

Ist ein Audi A4 rostanfällig?

Zwei Gründe sprechen bei der Audi A4 B6 Generation gegen den Rost. Erstens sind die Fahrzeuge noch nicht sehr alt, zweitens sind die Karosserien vollverzinkt. Wie jeder, der mal einen vollverzinkten Audi hatte, weiß, schützt das nicht endgültig vor der braunen Pest. Klassisch rostet ein Audi da, wo Steinschlag und Wasser nagen, also an den Kotflügeln und der Heckklappe. Auch unter den Zierleisten, den Dachleisten oder den Abschlussleisten der Türen kann es im Verborgenen gammeln.


Jens Tanz – der Sandmann

Jens spielt seit seinem 16. Lebensjahr mit alten und nicht ganz so alten Autos im Maßstab 1:1. Diese Leidenschaft machte er nach ein paar Irrwegen in die Physik und die Elektrotechnik zum Beruf und schrieb Artikel und Kolumnen für AutoBILD, AutoBILD Klassik, GRIP – Das Motormagazin, Spiegel Online, das Drivestylemagazin TRÄUME WAGEN und die AUTO Classic. Heute betreut der Kieler über die Agentur elbkind reply die Social-Media-Kanäle vom Mercedes-Benz Museum in Stuttgart und führt mit “Sandmanns Welt” das etwas andere Tagebuch eines patchworkenden Autofahrers.

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