Citroën XM 2.0 Turbo CT Pallas: Der fliegende Teppich

“Aaaaaach lasst mich in Ruhe mit diesen französischen Karossen, die sind doch immer kaputt und benehmen sich zickig!” Stimmt, stimmt nicht. Wird er gepflegt, ist auch der hydropneumatische Franzose ein zuverlässiger Freund. Allerdings auch nur dann! Aber dieser erst 21 Jahre alte Citroën XM ist extravaganter als jeder Jaguar!
- Bauzeitraum: 1989 – 2000 (Y3, ab Juli 1994 Y4)
- Karosserien: Schräghecklimousine (Berline), Kombi (Break)
- Benzinmotoren: 2,0 Liter – 3,0 Liter
- Dieselmotoren: 2,1 Liter – 2,5 Liter
- Tankinhalt: 80 Liter
- Stückzahl: ca. 333.400
- Preise 2021: 1.000 € – 8.000 €
Extravaganz hat ihren Preis
Als 1989 dieser kantige, flache Keil den CX (Schimanski und so, Ihr erinnert Euch?) ablöste, teilte er Fans und Kritiker in zwei klare Lager. Okay, das haben seine oberklassigen Vorgänger nebst dem jungen C6 auch getan. Obwohl er 1990 zum “Auto des Jahres” gewählt wurde, blieb der XM hinter den erwarteten Verkäufen zurück.
Die anspruchsvolle Technik und Elektronik ließ die Fahrer der ersten Generation Y3 tatsächlich mehr Warnlampen sehen, als ihnen lieb war. Der ab 1994 gebaute Y4 in diversen Ausstattungen und Motorisierungen gilt heute als ausgereift und zuverlässig. Der 3.0 Liter V6 werkelte auch im DeLorean! Ich habe mich auf den “kleinen” 2.0 Liter Turbo CT gestürzt. Ich muss nicht zurück in die Zukunft, ich brauche hier und jetzt einen Daily Driver.


Kein Auto für Anspruchslose
Ein paar Dinge müssen erklärt werden, bevor man losfahren kann. Die Wegfahrsperre erfordert einen vierstelligen Code auf der Mittelkonsole oder ein Starten innerhalb von 15 Sekunden nach dem Einsteigen. Oder einen weiteren Druck auf die Zentralverriegelung am Schlüssel.

Läuft das ruhige Triebwerk, kann man es sich noch ein paar Sekunden im beheizten Alcantara-Leder-Sessel gemütlich machen. Bis der hydraulische Druck auf den Federkugeln anliegt und das STOP-Lämpchen ausgeht. Erst jetzt funktionieren Bremse und Lenkung, aber ab jetzt schweben wir eher, als dass wir fahren.
Käffchen und Kippchen
Viele Gebrauchtwagen haben gar keine Cupholder und nur winzig kleine Aschenbecher. Deshalb checke ich (als Nichtraucher) in dieser Serie auch immer die Abstellmöglichkeiten für Coladosen und Kaffeetassen sowie die vom Fahrersitz aus erreichbaren Aschekapazitäten.

In einem Citroën XM raucht man vermutlich eher eine gepflegte Pfeife, was auch immer, die Asche findet unter einer Holzklappe in der Mittelkonsole Platz. Getränkehalter gibt es keine. Nirgends. Nicht mal für ein Glas Champagner.
In diesem Pallas (das kommt von Pallas Athene, der griechischen Göttin der Weisheit – alles klar?) sind alle vier Hauptsessel beheizt und quasi alles, was elektrisch geht, sirrt auch elektrisch. Sogar die Mittelarmlehne, was angenehm bescheuert ist. Das originale Philips Radio mit CD-Wechsler im Kofferraum klingt satt und das Holzfurnier verströmt Wohnzimmercharme.

Turbo und Hydractive Hightech
Der Vierzylinder-Turbomotor mit dem konstanten Drehmoment (da kommt das CT her – constant torque) legt 147 Pferde an ein hochtourig abgestimmtes Fünfganggetriebe. Damit drückt der Keil erstaunlich gut vorwärts, knickt mit dem Po beim Gasgeben leicht ein und pendelt sich an den Ampeln wieder zurecht. Hat man sich daran gewöhnt, kann man die verdutzten Blickt der Passanten genießen.

Für die Motoren gibt es noch alle relevanten Ersatzteile. Im Alter werden sie gern öldurstig, und auch der Benzinverbrauch liegt mit 10 Litern praktisch nur leicht unter dem des V6. Dafür gibt es aber französisch eleganten Fahrspaß wie auf einer straffen Wolke. Der XM mit seinem Hydractiv-Rechner ist das erste Serienfahrzeug mit einem elektronisch gesteuerten Fahrwerk!
Nicht zickiger als andere
Die ersten XM haben schon ein H‑Kennzeichen, die letzten sind gerade einmal zum Youngtimer geworden. Fans, die den Wagen ernst nehmen und selbst Hand anlegen wollen, sind in Foren und Clubs organisiert. Mehr als 20 Jahre nach dem letzten XM sind alle Defekte bekannt und schon einmal dokumentiert worden. Seien es durchgerostete Domlager, die das Federbein durch die Motorhaube schießen lassen, den Hitzetod sterbende Turbodieselmotoren oder undichte Hydraulikleitungen – jeder hat irgendwo eine Lösung parat.

Aber die braucht es auch ab und an. Wer ein billiges Auto zum Reinsetzen und Losfahren sucht, ist mit einem Oberklasse-Citroën nicht gut beraten. Einen Citroën XM muss man a) mögen, b) verstehen und c) selbst warten und reparieren können. Oder man hat d) ganz viel Geld übrig. Gepflegte Exemplare sind genauso zuverlässig wie andere Autos aus dieser Zeit.
Preiswert – für Mutige
Unser Y4 Schrägheck-Limousine (“Berline”, einen “Break” gab’s auch) hat eine gesunde Elektrik und schon viele Neuteile mit drin. Die teilverzinkten Bleche sind zwar leicht vom Leben gezeichnet, nicht aber vom Rost. Die Welt hat sich allerdings an diesem fantastischen Auto vorbei gedreht, und das merkt man am Preis.

Die üblichen Verschleißteile bei diesem Franzosen sind preiswert und problemlos erhältlich. Und wenn die Motorräume wie Schlangengruben aussehen – ein Citroën kühlt auch nur mit Wasser. Viele Komponenten lassen sich schnell demontieren oder beiseite schrauben, und man kommt an alles ran. Aber wehe, die Hydraulikleitungen sind angerostet oder das Kupplungsseil ist fällig. Fällt der Druck im System und der Fahrer ignoriert die Warnlampen, lässt sich das Fahrzeug mit der Fußbremse nicht mehr zum Stehen bringen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Savoir Vivre
Einmal im Leben durch Düsseldorf schweben. Entweder man mag es, wenn sich das eigene Auto wie eine Katze auf den Boden legen kann und sich auf SUV-Höhe aus den Federbeinen hebt – oder man hasst es. Ein Citroën XM ist nicht wesentlich komplizierter als andere Autos, er ist schlicht völlig anders. Man muss ihn erlernen. Und das macht ihn so unfassbar cool. Wem das zu aufwändig ist, dem bietet der Markt genug Alternativen. Wer aber das Schweben nicht scheut und sich mit fachkundiger Beratung einen gleitenden Franzosen anlacht, der wird finanziell nicht in den Ruin getrieben. Auch nicht bei den Ersatzteilen, schaut da mal rein. Man darf nur kein Perfektionist sein. Dann wird es doch teuer.
Vorteile | Hoher Fahrkomfort Großes Platzangebot Alltagstauglich wenn gut gepflegt Teilverzinktes Blech Sehr individueller Auftritt Kerniger Sound beim V6 Große, hilfsbereite Gemeinschaft |
Nachteile | Komplexe Technik Kompakt verbauter Motorraum Elektronikfehler in der Baureihe Y3 Unbemerkt durchrostende Domlager Zentralhydraulik mit vielen Leitungen Hitzeanfälliger 2,5 Liter Diesel |
Preise | 1.000 € – 8.000 € |
Kleinigkeiten | Displays im Cockpit schwächeln im Alter Zentralverriegelung wird fehlerhaft Hydropneumatik hat viele Stellen, an denen sie undicht werden kann Sitzheizungen sind vorn eigentlich immer kaputt |
FAQ
Auf jeden Fall lässt sich einer der letzten großen Citroëns täglich und auch im Winter bewegen! Leider sind viele günstige Modelle mit Wartungsstau auf dem Markt, von denen sollte man die Finger lassen. Der XM hat einfach zu viele Ecken, an denen er unbemerkt kaputtgehen kann. Ein durchrepariertes Fahrzeug ist absolut alltagstauglich, die Diesel sind sehr sparsam, der V6 klingt toll, aber trinkt gern.
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Alle relevanten Teile für den reibungslosen Betrieb gibt es über DAPARTO. Bremsen, Auspuff, Kühlsystem, alles bekommt man für den XM zu relativ kleinen Preisen. Interieur, Zierleisten und Spezialteile finden sich gebraucht im Netz. Eng wird es mit Domlagern der vorderen Federbeine, speziellen Felgen und Radkappen oder originalen Radios. Hier braucht man viel Geduld oder viel Geld. Oder einen Ersatzteilspender auf dem Hof.
Ersatzteile für den Citroën XM »
Ja und nein. Wenn sie regelmäßig gewartet wurde, ist eine rechnergesteuerte Hydropneumatik genauso robust und zuverlässig wie ordinäre Stoßdämpfer, dabei aber wesentlich komfortabler und vielseitiger. Sie besteht aus mehreren kleinen Gaskugeln, die sich schnell und preiswert tauschen lassen, und einem verzweigten System von Hydraulikleitungen, die vom Hauptspeicher zu den Kugeln laufen. Diese müssen regelmäßig auf Rost und Undichtigkeiten überprüft werden. Die Pumpen gibt es noch neu, sie erreichen aber auch eine biblische Laufleistung.
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Wer mit einem Citroën XM sparsam und durchzugsstark reisen will, greift zum Diesel. Dabei sagt man dem 2,5‑Liter-Turbodiesel allerdings den Hang zum Köpfefressen nach, egal wie er gefahren wird. Der 2,0‑Liter-Turbo-CT mit 8 Ventilen ist die gute Alternative für alle, die es pflegeleicht und trotzdem nicht lahm haben wollen. Unter 9 Litern Super geht aber auch hier nichts. Mit dem V6 ist der XM endgültig in der Oberklasse angekommen, allerdings auch vom Wartungsaufwand. Die robusten Triebwerke klingen toll, erfordern aber Kinderhände oder dreimal gebrochene Unterarme beim Schrauben im Motorraum.
Generell sind die Baureihen Y3 und Y4 nicht besonders rostanfällig. Im Unterboden sind teils verzinkte Bleche eingesetzt worden. Auch Wasser im Innenraum ist eher die Ausnahme. Schweller oder Wagenheberaufnahmen rosten gern nach Aufsetzern oder Steinkontakt. Schmutz sammelt sich häufig unter den Plastikabdeckungen am Unterboden und lässt dort Hydraulikleitungen und Blech im Verborgenen modern. Der Hinterachse sollte man ebenfalls von unten Aufmerksamkeit widmen.
Jens Tanz – der Sandmann

Jens spielt seit seinem 16. Lebensjahr mit alten und nicht ganz so alten Autos im Maßstab 1:1. Diese Leidenschaft machte er nach ein paar Irrwegen in die Physik und die Elektrotechnik zum Beruf und schrieb Artikel und Kolumnen für AutoBILD, AutoBILD Klassik, GRIP – Das Motormagazin, Spiegel Online, das Drivestylemagazin TRÄUME WAGEN und die AUTO Classic. Heute betreut der Kieler über die Agentur elbkind reply die Social-Media-Kanäle vom Mercedes-Benz Museum in Stuttgart und führt mit “Sandmanns Welt” das etwas andere Tagebuch eines patchworkenden Autofahrers.
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